Montag, 19. Januar 2009

Palenque und Mexico City mit Jörn

Am 29. Dezember kam mich Jörn besuchen, ein Freund und Kommilitone aus Tübingen, der gerade in den USA zwei Auslandssemester macht. Wir hatten schon vor Monaten über eine Silvester-Reunion in Mexiko nachgedacht - umso mehr habe ich mich gefreut, als er tatsächlich kam und wir Silvester gemeinsam im Dschungel feiern konnten. Wir fuhren nach Palenque um ein paar Tage in der fast schon legendären Backpacker-Anlaufstelle El Panchán zu verbringen. (Siehe dazu auch den blogtext "Der Beginn unserer Reise" vom 22.10.08) Am ersten Tag dort besichtigten wir die alte Mayastadt von Palenque, die ich von meiner Reise mit Roland zwar schon kannte, die durch ihre herrliche Architektur und die traumhafte Lage mitten im Urwald aber auch ein zweites Mal beeindruckt. Besonders wenn man sich die Ruinen vorstellt, wie sie zu der Zeit ausgesehen haben, als Palenque auf der Höhe seiner Macht war: blutrot angemalte Tempel mit blauen Stuckdetails, die über hohen, gefährlich steilen Treppen thronen. In Palenque gibt es Hunderte von Ruinen, nur ein kleiner Teil ist ausgegraben. Und alles, was an diesem schweißtreibenden Ort steht, wurde ohne Metallwerkzeuge und ohne das Rad gebaut. Der Dschungel, der die grüne Kulisse der Mayastadt bildet, ist bis heute das Zuhause von Brüllaffen, die man in der Ferne hört.

Am nächsten Tag machten wir eine Tour zu zwei Wasserfällen: Agua Azul und Misol-Ha. Eigentlich wären im Tourprogramm auch die Fälle Agua Clara inbegriffen gewesen, doch das ganze Gebiet dort war von zapatistischen Rebellen besetzt, die mit Waffengewalt zu verhindern suchten, dass Touristen den für sie heiligen Ort besuchen. Das Gebiet haben wir lieber gemieden. Aber Agua Azul und Misol-Ha war toll. Agua Azul - das sind blendend weiße Wasserfälle, die stufenweise in türkisblaue Becken donnern, das Ganze mitten im Urwald. Misol-Ha ist ein kleinerer Wasserfall, der 35 Meter tief in ein breites Becken stürzt, das umgeben ist von üppiger tropischer Vegetation.

Silvester feierten wir in El Panchán, wo in der Dschungelbar einiges geboten war: Live Panflöten-Trommel-Musik, Feuershows, gutes Essen und billige Cocktails. Dummerweise kamen wir gegen zwei Uhr morgens auf die Idee, unseren Freunden in Tübingen ein frohes neues Jahr zu wünschen. Das war ein großer Fehler, denn nicht nur rissen wir Gregor sehr unsanft aus dem Schlaf (Sorry, Greg...), sondern ich verstauchte mir auf dem Weg zur Straße (dem einzigen Ort in El Panchán, an dem es Handynetz gibt) so gründlich den Fuß, dass ich die folgenden Tage fast gar nicht laufen konnte und bis heute nur humpelnd laufen kann. Am ersten Januar fuhren wir dann in das zentrale Krankenhaus von Palenque. Das war auch so ein Erlebnis: Als wir ankamen musste ich mich zunächst an einem Schalter melden und eine Frau legte meine "Krankenakte" an: Ein Stück Schmierpapier. Dann mussten wir warten und es wurde uns schnell ganz Elend zumute, weil in einem der Behandlungszimmer ein kleiner Junge die ganze Zeit markerschütternd schrie. Als ich dann in ein Sprechzimmer gerufen wurde staunte ich nicht schlecht: Alles war alt und dreckig und es gab nicht mal einen Stuhl (geschweige denn einen Computer...). Ich saß auf einem Pappkarton voller Handtücher während der Arzt mich begutachtete. Als ich eintrat war seine erste Frage nicht etwas "Was hast du?", sondern: "Bist du gringa?" Nachdem ich das entnervt verneint hatte war der der Arzt sehr nett und nahm sich Zeit, um meinen Fuß gründlich zu untersuchen. Er verwies mich in eine Radiologie-Praxis (im Krankenhaus gab es nämlich keine Röntgen-Apparate), wohin ich am nächsten Tag fuhr, während Jörn eine Tagestour nach Yaxchilan und Bonampak machte. Für die zwei Röntgenbilder zahlte ich 600 Pesos (derzeit sind das etwa 35 Euro). Das fand ich schon ziemlich heftig, denn wir waren in Chiapas, dem ärmsten Bundesstaat Mexikos, in dem ein großer Teil der Menschen überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hat weil die Infrastruktur und das nötige Geld fehlen. Wie soll denn da ein armer Bauer (selbst wenn er bis in die Röntgenpraxis kommen kann) auch nur ein einfaches Röntgenbild zahlen?

Später an diesem Tag verabschiedeten wir uns aus Palenque und fuhren 14 Stunden lang über Nacht nach Mexico City. Dort machten wir den Tag über das, was auch mit einem Humpelfuß möglich war: Wir waren auf dem Zócalo, dem zweit größten innerstädtischen Platz der Welt und besichtigten die Kathedrale und den Palacio Nacional, in dem die riesigen Wandgemälde von Diego Rivera und der alte Parlamentssaal zu sehen sind. Danach machten wir eine Tour mit dem Touribus - eine fußfreundliche Angelegenheit und auch ganz interessant: Auf einer solchen Tour kommt man in Stadtteile, in die man sonst wahrscheinlich eher nicht gehen würde. Am Tag darauf besichtigte Jörn Teotihuacan, die größte erhaltene Azteken-Stadt. Ich verbrachte den Tag lesend in Cafés und in der Kardinalsmesse. Diese begann gerade als ich in der Kathedrale war und ich wollte bleiben, um den Tag ruhig zu beginnen. Mir gefällt das Feierliche, Meditative, Stimmungsvolle einer Messe. Leider war diese Messe überhaupt nicht feierlich. Ständig liefen Touristen an den Messebesuchern vorbei - einer war sogar so dreist und schob die stehenden Besucher zur Seite um ein Foto von sich mit dem Kardinal im Hintergrund machen zu lassen. Ein Filmteam war auch da und ständig blitzte irgendwo ein Fotoapparat. Vor mir aß einer knisternd Kekse, hinter mir unterhielt sich ein Pärchen. Nach einer Stunde hatte ich keine Lust mehr und bin gegangen. Am selben Abend fuhren wir dann zurück und verbrachten den letzten Tag von Jörns Aufenthalt in Mexiko in Puebla und auf dem Markt von Cholula. Am sechsten Januar brachte ich ihn dann an den Flughafen nach Mexico City, von wo aus er zurück in die USA flog.

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