Freitag, 29. August 2008

Teotihuacan - Stätte der Götter


Ungefähr 40 km nordöstlich von Mexiko City liegt die Ruinenstadt Teotihuacan. Wir waren dort und schwer beeindruckt.
Die Stadt war etwa von 100 v. Chr. bis 700 n. Chr. bewohnt. Ihr Name ist ein Wort in der Náhuatl-Sprache und bedeutet soviel wie "Stätte der Götter". In Teotihuacan, das weiß mein Reiseführer, gab es Systeme zur versorgung mit Grundwasser, dem Sammeln von Regenwasser sowie ein Abwassersystem. Vor über 2000 Jahren!!!

Außerdem gab es in der Stadt Kunsthandwerk, Märkte, Straßen, Paläste, Wohnanlagen und jede Menge Tempel. Was den Niedergang der Zivilation verursacht hat ist bis heute nicht bekannt, jedenfalls sind nur noch einige der großen Bauwerke zu sehen, vor allem Pyramiden. Die Religion muss eine sehr wichtige Rolle im Leben der Azteken eingenommen haben. Es gab viele verschiedene Gottheiten, die alle im Zusammenhang mit Wasser, Erde und Fruchtbarkeit standen und somit Ausdruck der Grundbedürfnisse der Bewohner Teotihuacans waren.

Längs durch die ganze Ruinenstadt zieht sich über eine Länge von mehr als 2 km die sogenannte "Straße der Toten". Vermutlich heißt sie so wegen der vielen kleinen, oben abgeflachten Pyramiden, die als Altäre für verschiedene Gottheiten dienten. Hier wurden Menschenopfer dargebracht, die den jeweiligen Gott milde stimmen sollten.

Rechts von der Straße der Toten befindet sich die größte Pyramide Teotihuacans, die Sonnenpyramide. Sie hat eine Grundfläche von 200 x 200 m und ist 66 m hoch. Über wirklich monumentale Treppen kann man die Pyramide besteigen - mit viel Ausdauer und guten Beinmuskeln.

Im Norden der Stadt erhebt sich die Mondpyramide, das zweit größte Bauwerk. Bereits um 0 bis 200 n. Chr. hat sie das gleiche Profil besessen wie heute. Auf der Vorderseite befindet sich eine große Plattform, die für Zeremonien zu Ehren der Wassergöttin Chalchiutlicue diente, die in Verbindung mit dem Mond stand. Ich möchte wirklich nicht wissen was oder besser: wen die Azteken dort geopfert haben!

Mittwoch, 20. August 2008

Ohne Kommentar

Am Freitag waren wir in einer Disco. Javier, unser Fahrer, war nüchtern und damit eine Ausnahme, sehr viele fahren hier betrunken. Aber wir haben Javier gesagt, wenn er betrunken fährt gehen wir nie wieder mit ihm weg. Das hat ihn anscheinend beeindruckt.
Sein Bruder aber, der alleine in einem anderen Auto heim gefahren ist, war ordentlich voll, hat am Steuer telefoniert - und wurde prompt von der Polizei angehalten. Aber kein Problem, für 200 Pesos (etwa 13 Euro) hätten sie ihn weiter fahren lassen, ohne Konsequenzen, ohne Sanktionen. Aber Javiers Bruder ist für solche Fälle gerüstet, er hat immer die Visitenkarte einer bekannten Lokalpolitikerin im Geldbeutel. Die hat er den Polizisten unter die Nase gehalten und ganz dreist behauptet, die Politikerin sei seine Tante. Deshalb durfte er für 100 Pesos weiterfahren. Javier sagte dazu nur: "La justicia es barrato en México - Die Justiz ist billig in Mexiko." Korruption an allen Ecken und Enden.

Mittwoch, 13. August 2008

Das Abenteuer "Universität"

Es ist die zweite Woche an der Uni und Zeit mal wieder was zu schreiben:

Ich kann die drei Kurse besuchen, die ich mir ausgesucht hatte, die Einschreibung war kein Problem. Wir haben an der Uni sogar unseren "eigenen" Rechtsanwalt, der alles mit der Einschreibung und der Registrierung im nationalen Ausländerregister regelt.
Letzten Mittwoch um 10 Uhr hatte ich meinen ersten Kurs, oder besser: Letzten Mittwoch hätte ich meinen ersten Kurs haben sollen. Teorias del cambio social - Theorien über den sozialen Wandel. Ich war pünktlich um 10 Uhr da . Als einzige. Gegen 5 nach 10 kam ein Junge, den hab ich gefragt, ob der Kurs aber schon in diesem Raum stattfindet. "Si, si claro." Also hab ich gewartet. Um viertel vor 11 war der Raum dann so langsam voll mit Studenten, der Professor kam mit knapp einer Stunde Verspätung um kurz vor 11. Und alles, was er sagte, war: "Disculpe, mir ist zu heiß heute, ich brauche dringend einen Kaffee. Schreibt mir bitte eure e-mail-Adressen auf, ich schick euch das Kursprogramm, alles weitere besprechen wir am Montag." Und das war´s.
Inzwischen ist der Kurs nicht mehr so lässig, wir müssen sehr viel lesen und der Professor fragt jede Stunde ab oder macht Überraschungs-Lektüre-Tests. Hilfe. Und er kontrolliert nicht nur, ob wir die jeweilige Lektüre gelesen haben, sondern auch, ob wir Zeitung gelesen haben. Jeden Morgen fragt er einen oder eine aus dem Kurs, welche Nachricht ihm/ ihr heute besonders interessant erschien. Ziemlich stressig aber gut und interessant, ich glaube ich werde einiges lernen.
Nach wie vor fallen wir auf dem Campus auf wie ein bunter Hund. Ein Junge der in einem Kurs neben mir saß hat mich angesprochen und gefragt: "Du bist Marie, oder?" Ich hatte davor nie mit ihm geredet. Und zu Caro hat einer gesagt: "Du hast doch noch zwei andere deutsche Freundinnen, stimmt´s?" Wir sind ein bisschen berühmt hier - ein komisches Gefühl.

In den anderen beiden Kursen, die ich besuche, sind wir jeweils nur vier Studenten (im Kurs Politische Kultur Mexikos sind´s sogar nur Caro und ich und zwei Jungs, die auch nicht von der Uni hier sind...) Diese Quasi-Einzelbetreuung ist ganz gut, vor allem können die Professoren mehr auf mich oder auf uns eingehen und manches auch zwei Mal erklären, wenn es nötig ist. Allerdings kann man leider auch nicht in der Masse untergehen... Manchmal wünsch´ ich mir, ich wäre ein bisschen unsichtbarer, wenigstens ein bisschen. Vorlesungen auf spanisch zu hören finde ich super anstrengend, ich muss die ganze Zeit voll aufmerksam sein und wenn ich mal nicht mit komme versteh ich gar nichts mehr. Die Leute reden sehr schnell hier und in den großen Räumen mit vier Studenten hallt es zu allem Überfluss auch noch, das macht das Verstehen nicht gerade einfacher.
Selbst in meinem Kurs Teorias del cambio social mit circa 30 StudentInnen kann ich einfach nicht in der Menge untergehen. Wie sagte der Professor heute morgen: "Oh je, ich kann mir eure vielen Namen einfach nicht merken... Ah, doch, natürlich, einen Namen weiß ich ganz bestimmt: Maria-Christin, was sagt der Text über..." Hmpf. Immer ich.
Das Beste ist auch, dass er ständig von deutschen Soziologen redet. Aufgrund der (wirklich miserablen) Aussprache verstehe ich die Namen aber leider kaum jemals gleich. Dann schaut der Prof mich immer auffordernd an und will wissen, wie man den Namen richtig ausspricht und ich muss fieberhaft überlegen, welchen Soziologen er jetzt wohl wieder gemeint hat...
Insgesamt gefällt mir das Lernsystem an der Uni ganz gut. Jeder Kurs findet hier 6stündig statt, entweder an drei Tagen jeweils zwei Stunden oder an zwei Tagen drei Stunden. So komme ich mit meinen drei Kursen schon auf 18 Wochenstunden - weit mehr als in Deutschland. Dort, das ist jedenfalls mein Eindruck, weiß man nach einem beendeten Seminar nur über das eigene Referats- und Hausarbeitsthema so richtig viel. Das ist hier anders. Hier beschäftigen wir uns viel (zeit-)intensiver mit jedem Thema - klar, jeder Kurs nimmt ja auch drei Mal so viel Zeit in Anspruch. Deshalb haben wir hier auch Zeit zum diskutieren. Und die Profs legen Wert darauf, dass viel und angeregt diskutiert wird, immer wieder betonen sie, wie wichtig der Meinungsaustausch gerade für Politologen und Soziologen ist. Eine gepflegte Streit- und Dikussionskultur fehlt mir in Deutschland. Ich finde die Diskussionen in den Kursen sehr aufschlussreich und interessant, mein Problem ist nur: Ich kann mich oft nicht beteiligen. Ich hab´ zwar ne Menge Ideen, aber leider alle auf deutsch. Spanisches Fachvokabular für Soziologie oder Politikwissenschaft lernt man leider nicht in Sprachkursen. Das fehlt mir hier. Und Wörter wie "Erderwärmung" kennt nicht mal mein Wörterbuch...
Ganz schlimm ist es, wenn ich müde bin. Es gab hier schon Tage, an denen ich dachte: Oh, Hilfe, ich versteh gar nichts, ich kann keinen Piep Spanisch. An anderen Tagen dagegen hab ich nahezu keine Probleme mit der Sprache. Nur leider hab ich das Gefühl, meine Sprachkenntnisse sind Tagesformabhängig. Das ist ziemlich ungünstig und frustrierend. Aber so insgesamt klappt`s ganz gut mit spanisch, ich verstehe nur nach wie vor mehr als ich sagen kann - ich hoffe, das wird noch besser, sonst geh ich hier am Ende doch noch unter...

Sonntag, 10. August 2008

Über eine Pyramide, zwei Discos, wenig Uni und jede Menge Landesküche



Es ist 8 Uhr morgens, ich bin todmüde und würde gern noch schlafen, kann aber nicht. Der Gasflaschenverkäufer dreht in seinem kleinen Lastauto seine Runden um den Block. Mit lauter Technomusik kündigt er sein Kommen an. Jeden morgen punkt 8. Heute ist bereits der siebte Tag, an dem ich ihm gern sein Megaphon geklaut hätte. Seit sieben Tagen wohne ich jetzt schon hier in meinem Zimmer, seit bald zwei Wochen bin ich in Mexiko. Es kommt mir viel länger vor, aber gleichzeitig sind die ersten Tage sehr schnell vergangen. Und ich komme nicht umhin mich zu fragen: Wie lang ist eigentlich ein halbes Jahr? Ich meine gefühlt?

Bisher fühle ich mich, als wäre ich einfach im Urlaub. Dass ich für die nächste Zeit hier wirklich leben werde ist irgendwie noch nicht so richtig zu mir durchgedrungen. Nach wie vor ist vieles neu, vieles ungewohnt und alles anders als daheim. Aber jedesmal, wenn wir es geschafft haben mit dem Bus oder einem Taxi wieder an "unserer" Straßenecke anzukommen denke ich: da vorne bin ich zuhause. So langsam gewöhnen wir uns ein und selbst mein Magen kann mit der neuen Situation so langsam umgehen. Deshalb haben Caro, Julia und ich mit der Abhärtung begonnen: Inzwischen putzen wir Zähne mit Leitungswasser, so wie die Mexikaner auch.

Und wir haben einen kulinarischen Streifzug durch die Landesküche begonnen. Derzeit ist hier Chiles en Nogada-Zeit. Das schmeckt mal lecker. Eine sehr große, scharfe grüne Chili, paniert und gefüllt mit Fleisch und Früchten, übergossen mit Walnusssoße und bestreut mit Granatapfelkernen und Petersilie. Chiles en Nogada gibt es nur im August. Mole Poblano dagegen gibt es das ganze Jahr. Auch dieses für Puebla ganz typische Gericht haben wir inzwischen probiert. Jeder Staat hat hier seine eigene Mole, Mole Poblano (die Mole Pueblas) ist eine sämige Soße aus Schokolade und Chili, die mit Hühnchenfleisch und Reis serviert wird. Auch sehr lecker. Es ist eine Mischung, die ganz typisch ist für Mexiko: Süß mit salzig. Außerdem haben wir noch Grillen gegessen, getrocknete und gewürzte echte Grillen. Hat Überwindung gekostet, schmeckt aber auch gut. Und das Obst ist einfach der Hammer. Mangos, zum Beispiel, haben viel mehr Geschmack als in Deutschland. Aber das Beste sind Tunas, grüne Kaktusfrüchte. Die fasst man am besten nur mit einer Plastiktüte an weil sich die winzigen haarigen Stacheln sonst in der Haut festkrallen. Sehr unangenehm, wie ich inzwischen weiß, ich hab´s natürlich gleich ausprobiert. Man lernt hier nie aus.

Wir gewöhnen uns an Mexiko und so langsam gewöhnen sich auch die Mexikaner hier in der CU, in der ciudad universitaria, an uns. Ich glaube, es hat sich hier im Viertel rumgesprochen, dass drei deutsche Studentinnen da sind. Ich war in einem Laden, in dem ich vorher noch nie war und der Verkäufer begrüßte mich mit: "Hola, la alemana, bienvenido!" Der wusste schon, dass ich deutsch bin. Oft glauben die Leute, wie wären US-Amerikanerinnen und dann denken sie, die gringas verstehen sowieso kein Spanisch. Wenn wir sagen, wir sind Deutsche, sind die Menschen oft gleich freundlicher. Nach wie vor schauen uns aber alle auf der Straße hinterher und die Männer sind ziemlich respektlos. Gestern bin ich die Straße langgelaufen und ein Taxifahrer hat neben mir abgebremst und ist im Schritttempo neben mir her gefahren. Er: "Quieres Taxi?" - Ich: "No, gracias, no necesito un Taxi." - Er: "Quieres Taxi?" - Ich: "No." - Er: "Quieres novio? (novio = fester Freund) - Ich: "No!" Hmpf.

Aber wir haben auch schon sehr viele nette Bekanntschaften gemacht, der Gemüsehändler hat sich zum Beispiel sehr darüber gefreut, dass in diesem Semester mehr Ausländer an der BUAP studieren, er findet kulturellen Austausch gut und wichtig. Wir haben auch echt schon einige andere Studenten kennengelernt, zum Beispiel zwei Kolumbianerinnen, zwei Deutsche Jungs und einen Haufen Mexikaner.

Gestern waren wir mit einem Mexikaner und einer sehr netten Freundin von ihm in Cholula, einem Vorort von Puebla. Dort gibt es die größte Pyramide der Welt, zumindest was die Grundfläche angeht. Vom Volumen her ist die Pirámide de Cholula die größte Lateinamerikas. Von außen sieht man nicht viel, sieht aus wie ein grüner Hügel. Aber Alejandra, das mexikanische Mädchen, das mit uns da war, studiert Tourismus und konnte uns einiges erzählen:
Die Grundfläche der Paramide beträg circa 450 x 450 m. Insgesamt gibt es rund acht km Tunnel, sehr enge Tunnel, zum Glück bin ich nur 1,70 m groß. Ablaufen kann man davon nur etwa 10 Minuten. Das reicht aber auch, die Tunnel sind so eng und niedrig, dass ich es auch nicht viel länger ausgehalten hätte. Die Pyramide stammt - wenn ich mich richtig erinnere - aus dem vierten Jahrhundert, sie wurde sieben mal überbaut. Heute steht eine Kirche auf ihrem Gipfel. An einer Seite wurde die Konstruktion freigelegt - sehr beeindruckend!

In der Nähe der Pyramide haben wir auch den Tanz der fliegenden Männer gesehen. Vier (normalerweise fünf) Männer, voladores genannt, fliegen dabei an einem sich abrollenden Seil kopfüber um einen rund 30 m hohen Pfahl. Ich muss noch mal nachlesen, was das genau ist, auf jeden Fall aber ist das ein sehr, sehr altes Ritual das verschiedene Bedeutungen haben kann. Alejandra hat mir erklärt, dass die Männer zu Ehren der Götter fliegen. Sie symbolisieren die vier Elemente, Erde, Luft, Feuer und Wasser. Nachdem sie 13 Mal um den Pfahl gefolgen sind erreichen sie die Erde. Insgesamt ergibt die Anzahl der Drehungen der Männer um den Pfahl und um die eigene Achse 52, eine magische Zahl. Traditionell fliegen die Männer an hohen Feiertagen - was wir gesehen haben war eine Touri-Attraktion. Aber trotzdem toll anzusehen.
Am Freitag waren wir mit Yaneli, ihren Brüdern und deren Freunden in einer sehr mexikanischen Disco. Das war ein sehr lustiger Abend, wir haben in dieser waschechten mexikanischen Disco so richtig waschechte Mexikaner kennengelernt - nach der aktuellen Mode mit fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpften Hemden, zurückgegelten Haaren, Cowboy-Stiefeln, Goldketten und den obligatorischen Sombreros. Allesamt super Salsa-Tänzer. Der personifizierte machismo, allerdings nur was das Aussehen angeht, die Jungs waren richtig nett und natürlich haben sie uns vor allem und jedem beschützt. Wir sollten nicht mal alleine auf´s Klo gehen. Einer hat uns hingebracht, vor der Tür gewartet und wieder zum Tisch zurück begleitet. Das macht man so in Mexiko, sagten die Jungs, alles andere wäre zu gefährlich.
Am Samstag waren wir in einer anderen Disco, auch zum Salsa tanzen. Das war ein super schnikes Ding. Wir kamen um halb eins nachts da an und zum Glück hatten wir mal wieder den Ausländer-Blondie-Bonus, sonst wären wir in Turnschuhen gar nicht reingekommen. Und drinnen fanden wir uns im letzten Jahrhundert wieder, jedenfalls was die Musik angeht. In dieser super modernen, mega In-Disco lief doch tatsächlich Backstreetboys, Britney Spears, Abba, Shakira. Ich hab gedacht, mich tritt ein Pferd. Später, nachdem der Laden gegen halb zwei voll war, hat dann eine Live-Band Salsa gespielt. Das war toll, wir haben auch getanzt. Danach lief Techno, dann Raggaeton und zwischendurch die Filmmusik von Grease. Was für eine Mischung.

Wir haben so viel unternommen und so wenig geschlafen, wir hatten noch gar keine Zeit uns so wirklich um Uni-Sachen zu kümmern. Macht aber nichts - während hier sämtliche Austauschstudenten ankommen macht das Dezernat für Internationale Beziehungen in der letzten Woche vor Semesterbeginn Urlaub. Welcome to Mexiko. Heute fängt die Uni an, frühestens morgen, wahrscheinlich erst am Donnerstag können wir uns einschreiben. Naja, machts nichts, wir fühlen und schon ganz mexikanisch und gehen es gechillt an.

Heute waren wir an der Uni um Vorlesungsverzeichnisse zu holen und mal zu schauen, wo was ist. Und, Hilfe! Ich bin eine Jahrmarktsattraktion, ein exotisches Tier, ein Alien oder was. Die Studenten kucken, als hätten sie noch nie einen Ausländer gesehen. Caro, Julia und ich sind in die Cafeteria gelaufen und plötzlich war´s ganz still und fast alle haben uns angeschaut, überhaupt schauen uns alle nach. Das ist mal komisch. Aber den zwei blonden deutschen Jungs scheint´s zu gefallen - so viele Mädels haben ihnen wahrscheinlich noch nie hinterhergeschaut.
Morgen versuchen wir mal, ob wir uns einschreiben können. Und vielleicht können wir sogar die Stundenpläne machen. Ich möchte gerne einen Spanischkurs und drei Vorlesungen besuchen: `Stadtsoziologie´, ´Theorien des sozialen Wandels´ und `Politische Kultur Mexikos`. Mal schauen, ob´s klappt.
Wir machen auch die ersten Reise-Pläne: Nächstes oder übernächstes Wochenende fahren wir nach Mexiko City, einen Kommilitonen von mir aus Tübingen besuchen. Ansonsten fühlen wir uns mexikanisch und gehen alles locker an - überraschen kann uns im Moment sowieso nicht mehr viel.

Dienstag, 5. August 2008

Die ersten Fotos

México 1 - Die ersten Tage

Von der Uni aus sieht man den Popocatépetl!

So, jetzt bin ich tatsächlich in México. Aber, naja, wirklich angekommen bin ich noch nicht.

Puebla, die Stadt in der ich jetzt studiere, ist ... ich weiß noch nicht richtig wie ich sie finde. Einerseits wunderschön - die Altstadt im Kolonial-Stil mit schönen alten Häusern und vielen, vielen Kirchen ist sehr bunt, freundlich, spannend und Unesco Weltkulturerbe. Andererseits ist in dieser riesigen Stadt unglaublich viel hässlich, kaputt, arm. Puebla hat offiziell ca. 2 Millionen Einwohner und liegt in einem Tal, umgeben von vier Vulkanen: El Popocatépetl, El Iztaccíhuatl, La Malinche und El Citlaltépetl. Der Popo ist aktiv, er überragt die Stadt und raucht fröhlich vor sich hin. Und man kann ihn von manchen Straßen und von der Uni aus sehen. Darüber hab ich mich voll gefreut, den Popo wollt ich schon ewig mal sehen und jetzt bin ich an einer Uni, von der aus man einen wunderbaren Blick auf den Vulkan hat! (Es sei denn es hat Smog...) Ja, so ist das gerade noch: Ich denke immer wieder "krass, ich bin in Mexiko!" Julia und Caro gehts genauso. Hier ist alles anders. Alles. Und hier anzukommen ist nicht ganz einfach. Aber nachdem es sehr schwierig für mich war, von zu Hause weg zu gehen bin ich am zweiten Morgen aufgewacht und wollte hier sein.

Die ersten Tage haben wir (also ich, Caro und Julia, die beiden anderen Mädels, die mit mir aus Tübingen hier her gekommen sind) bei Yanelis Tante Mago verbracht. Für alle die es nicht wissen: Yaneli ist eine Mexikanerin, die ein Auslandssemester in Tübingen gemacht hat und die ich da kennen gelernt habe. Jedenfalls wohnt Mago zwar in Puebla aber doch mittem im Nichts (da führt nicht mal eine geteerte Straße hin, nur ein Feldweg und der ist ein einziges Schlagloch!), umgeben von Maisfelder, Kühen, Wachhunden, Beton-Mauern, Alarmanlage, Elektrozaun. Wir kamen da an und eines der ersten Dinge, die Mago sagte, war: "Ninas, bienvenido a casa, ahora yo soy vosotras tía también!" - "Willkommen zu Hause, jetzt bin ich auch eure Tante!" Voll süß. Und sie ist nur eine unserer neuen mexikanischen Tanten und Onkels. Yanelis große, sehr laute, sehr chaotische und super nette Familie hat uns ganz lieb aufgenommen. Alle helfen uns wo sie können, laden uns ein, trinken Tequila, kümmern sich, geben Ratschläge, fühlen sich für uns verantwortlich und machen sich jede Menge Sorgen. Am ersten Tag gab´s gleich mal Anschiss von Yanelis Mum Lupita: Wir hatten knielange Röcke an. Das dürfen wir hier nicht, meint sie, weil die mexikanischen Männer keinen Respekt haben.
Und eigentlich darf man hier insgesamt nicht wirklich viel:
Nichts auf der Straße essen; auf keinen Fall Leitungswasser trinken; alles Obst und Gemüse muss mit Spülmittel abgewaschen werden; ja kein Taxi benutzen, das nicht von einer Taxi-Gesellschaft ist; und so weiter. Das Problem ist: Wir versuchen uns an die neuen Bedingungen anzupassen, können unsere neue Umgebung aber kaum erfassen und verstehen sie noch nicht. Wir wollen die neuen Bedingungen ausprobieren - uns ausprobieren -, und wissen gleichzeitig nicht, wie weit wir gehen können. Mit der Sprache ist es eigentlich kein Problem, aber keine von uns kennt die Kultur, die Mentalität, Gewohnheiten. Ich finde alles spannend und gleichzeitig beängstigend. Ich wünsche mir diese Kultur kennen zu lernen und habe gleichzeitig sehr viel Respekt davor. Es ist ein etwas eigentümliches Gefühls-Mischmasch. Und ich kann auch noch nicht abschätzen, inwieweit die Sorgen von Yanelis Familie berechtigt und angebracht sind - ich hoffe sie übertreiben wenigstens ein bisschen. Es ist schon komisch: Wie selbstverständlich man sich in Deutschland sicher fühlen kann wird einem erst bewusst wenn man in einem Land wie diesem hier ist. Hier gibt es eine ganze Menge zu lernen, nicht nur über das Fremde, sondern auch über das Eigene, nicht nur über Mexiko, sondern auch über mich über meine eigene kulturelle Identität. Ich bin gespannt.


An den ersten Tage hier hatten wir ein sehr volles Programm:

Wir waren mit Yaneli und ihren Brüdern in der Stadt, haben die ersten Kirchen angeschaut (Puebla nennt man Ciudad de los Ángeles - Stadt der Engel, es gibt hier allein in der Altstadt mehr als 70 (!) Kirchen). Wir sind Bus gefahren (ein echtes Abenteuer! allein am ersten Tag hätten wir vier Mal einen Unfall gehabt, wenn der Busfahrer keine Vollbremsungen gemacht hätte. Im Bus stehen? Unmöglich...).

Außerdem waren wir auf einem großen Markt in einem indigenen Stadtviertel (ich hab schon die erste Tasche gekauft! Und Ohrringe. Freu!) Und am Samstag war ein großes Familienfest: Yanelis Opa wurde 82. Wir haben den ersten Kochunterricht bekommen und Nopales-Salat gemacht, also Kaktus-Salat. Lecker. Um drei gings los mit Vodka, um 4 gab´s Sangria, ab sechs Tequila - fröhliche Mexikaner vertragen einiges, wir haben uns um viele Gläser gedrückt, auch wenn Yanelis Mum ständig mit uns anstoßen wollte: "Y ahora hacemos PROST!" Ach ja, wir mussten "Heute kann es regnen, ..." für Yanelis Opa singen, er war ganz gerührt. Nachmittags wurde gegrillt, nachts wurde getanzt. Wir haben auch getanzt: Salsa, Paso Doble, ... ich werd hier wenns klappt Tanzunterricht nehmen. Von dem Haus aus hat man die ganze Stadt gesehen, das war schön. Und groß. Dieser 82. Geburtstag war wirklich ne coole Party! Wir hatten super viel Spaß.


Gestern abend waren in der Arena de Puebla und haben luchas libre angeschaut. Das ist was Merkwürdiges, aber auch ganz cool. Luchas libre sind Kämpfe, die luchadores sehen aus wie Ninja Turtles mit Masken und so und sie kämpfen ohne Regeln - Streetfight, ziemlich krass. Das ist in Puebla anscheinend ein sehr beliebter Sport, und die Kämpfe finden jeden Montag abend statt. Und wieder fiel mir auf, was hier alles anders ist: Obwohl Voll-Kontakt gekämpft wurde waren keine Sanitäter da (selbst bei jedem Kinder-Taekwondo-Turnier ist in Deutschland ein halbes Krankenhaus am Start!). Die Kämpfe fanden nicht nur im Ring, sondern auch drum herum statt. Trotzdem gab´s keine Sicherheitsabsperrungen, wer in der ersten Reihe saß (direkt am Ring) musste halt aufspringen wenn die luchadores zu nahe kamen. Notausgänge hab ich auch vergeblich gesucht, genauso Security, und die Hängetribüne war völlig verrostet. Aber die Stimmung war cool.

Natürlich haben wir auch den Campus angeschaut. Auf den ersten Blick sieht alles ganz gut aus. Die BUAP (Benemérita Universidad Antónoma de Puebla) ist eine städtische Universität, la universidad del pueblo, die Uni des Volkes. Dieses Semester ist das erste, in dem wirklich ein Austausch mit anderen Ländern stattfindet, insgesamt sind soweit ich weiß 24 internacionales hier. Wir sind anscheinend auch die ersten, die aus Tübingen hier her gekommen sind. Mal schauen, wie´s wird. Sehr praktisch ist, dass wir jetzt (seit gestern) in einem Studentenwohnheim fast direkt neben der Uni wohnen, wir können sogar zu Fuß hin laufen.

Wir haben in den ersten Tagen also echt schon viel erlebt, viel gesehen und auch schon einiges von der Stadt kennengelernt. Ich bin noch sehr damit beschäftigt all die neuen Eindrücke zu verarbeiten, die Stadt, die Menschen und die Kultur zu entdecken und mich einzuleben. Das ist gar nicht so einfach. Aber interessant. Eine Begegnung vom ersten Tag fällt mir immer wieder ein. Es war eine Begegnung mit einem Löwe. Wir liefen die Straße entlang - ich war ganz mit kucken beschäftigt - und dann hab ich nach links geschaut und da lag ein Löwe. Nachdem Yaneli sich über meinen Gesichtsausdruck ausgiebig schlapp gelacht hatte war sie auch in der Lage mir zu erklären, was der Löwe da gemacht hat: Er war ein PR-Gag, Werbung für einen Zirkus, der in die Stadt kommen würde. Er wurde in einem Käfigauto (das wirklich nicht gerade stabil aussah) durch die Stadt gekarrt - vermutlich betäubt, meinte Yaneli, jedenfalls völlig apathisch. Bis heute haben wir noch einige solcher Käfigautos gesehen, mit allen möglichen Tieren drin - widerlich. Vielleicht muss ich an den Löwen denken, weil ich mich selbst ein bisschen so fühle, wie er sich gefühlt haben muss: Wie ein Anschauungsobjekt, fremd, exotisch. Ich weiß nicht, wie viele Ausländer es hier gibt, viele sind es nicht. Vor allem gibt es kaum Ausländer, denen man es so krass ansieht wie uns. Jetzt weiß ich auch, was das bedeutet. Allein schon, dass wir plötzlich als exotisch gelten - das ist für mich völlig neu und seltsam. Egal wie verratzt wir hier rumlaufen, ständig glotzen uns die Menschen an, manche Männer veranstalten tatsächlich Hupkonzerte, wenn sie an uns vorbei fahren, lehnen sich aus dem Fenster und brüllen "Blondie, Blondie" (oh ja, ich bin ja auch sooooooo blond...) Und die Anmache ist nicht irgendwie nett oder schmeichelnd, vielmehr fühlen wir uns den Blicken und Sprüchen ausgeliefert und unwohl. Bin mal gespannt, ob ich mich daran überhaupt jemals gewöhnen kann.

Was mich erschüttert hat ist etwas, was ich zwar vorher schon längst wusste, was zu sehen aber doch heftig ist: Armut, vor allem arme Kinder. In Mexiko City war das übel. Wir sind vom Flughafen aus mit dem Bus nach Puebla gefahren; über drei-spurige Straßen (auf denen aber glaub ich grundsätzlich vier Autos nebeneinander fahren). Die Mexikaner fahren ziemlich krass, wechseln die Spur ohne zu blinken, bremsen erst wenn´s fast schon zu spät ist, geben Gas wo immer es möglich ist. Und mitten auf diesen Straßen waren überall Kinder, so klein, dass sie kaum ins Auto kucken konnten. Sie haben Rosen verkauft, Eis, Kaugummi oder wollten Scheiben waschen. Sie haben sich zwischen LKWs und Bussen durchgeschlängelt, die über 60 km/h gefahren sind. Das zu sehen fand ich sehr erschreckend.

Und gestern waren wir in einem Supermarkt und ein Opa hat ein kleines Mädchen in den Laden geschickt, das uns angebettelt und gefragt hat, ob wir ihm etwas zu trinken kaufen. Das passiert öfters. Es ist so: Wir gelten irgendwie als die reichen Europäer, wir haben tatsächlich hier auch sehr viel Geld, weil einfach alles super billig ist (für uns...). Und ich habe jedesmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich solche Kinder sehe. Ich finde das furchtbar.

Insgesamt aber ist Mexiko auf jeden Fall toll. Mexico is a kaleidoscope of cultures, cuisines, landscapes, adventures, music, languages, arts and history, so beginnt mein Reiseführer. Ich glaub das sofort, dieses Land ist einmalig - und ich freue mich sehr darüber, dass ich jetzt die Gelegenheit habe es kennen zu lernen! Es ist eine andere Welt.