Mittwoch, 13. August 2008

Das Abenteuer "Universität"

Es ist die zweite Woche an der Uni und Zeit mal wieder was zu schreiben:

Ich kann die drei Kurse besuchen, die ich mir ausgesucht hatte, die Einschreibung war kein Problem. Wir haben an der Uni sogar unseren "eigenen" Rechtsanwalt, der alles mit der Einschreibung und der Registrierung im nationalen Ausländerregister regelt.
Letzten Mittwoch um 10 Uhr hatte ich meinen ersten Kurs, oder besser: Letzten Mittwoch hätte ich meinen ersten Kurs haben sollen. Teorias del cambio social - Theorien über den sozialen Wandel. Ich war pünktlich um 10 Uhr da . Als einzige. Gegen 5 nach 10 kam ein Junge, den hab ich gefragt, ob der Kurs aber schon in diesem Raum stattfindet. "Si, si claro." Also hab ich gewartet. Um viertel vor 11 war der Raum dann so langsam voll mit Studenten, der Professor kam mit knapp einer Stunde Verspätung um kurz vor 11. Und alles, was er sagte, war: "Disculpe, mir ist zu heiß heute, ich brauche dringend einen Kaffee. Schreibt mir bitte eure e-mail-Adressen auf, ich schick euch das Kursprogramm, alles weitere besprechen wir am Montag." Und das war´s.
Inzwischen ist der Kurs nicht mehr so lässig, wir müssen sehr viel lesen und der Professor fragt jede Stunde ab oder macht Überraschungs-Lektüre-Tests. Hilfe. Und er kontrolliert nicht nur, ob wir die jeweilige Lektüre gelesen haben, sondern auch, ob wir Zeitung gelesen haben. Jeden Morgen fragt er einen oder eine aus dem Kurs, welche Nachricht ihm/ ihr heute besonders interessant erschien. Ziemlich stressig aber gut und interessant, ich glaube ich werde einiges lernen.
Nach wie vor fallen wir auf dem Campus auf wie ein bunter Hund. Ein Junge der in einem Kurs neben mir saß hat mich angesprochen und gefragt: "Du bist Marie, oder?" Ich hatte davor nie mit ihm geredet. Und zu Caro hat einer gesagt: "Du hast doch noch zwei andere deutsche Freundinnen, stimmt´s?" Wir sind ein bisschen berühmt hier - ein komisches Gefühl.

In den anderen beiden Kursen, die ich besuche, sind wir jeweils nur vier Studenten (im Kurs Politische Kultur Mexikos sind´s sogar nur Caro und ich und zwei Jungs, die auch nicht von der Uni hier sind...) Diese Quasi-Einzelbetreuung ist ganz gut, vor allem können die Professoren mehr auf mich oder auf uns eingehen und manches auch zwei Mal erklären, wenn es nötig ist. Allerdings kann man leider auch nicht in der Masse untergehen... Manchmal wünsch´ ich mir, ich wäre ein bisschen unsichtbarer, wenigstens ein bisschen. Vorlesungen auf spanisch zu hören finde ich super anstrengend, ich muss die ganze Zeit voll aufmerksam sein und wenn ich mal nicht mit komme versteh ich gar nichts mehr. Die Leute reden sehr schnell hier und in den großen Räumen mit vier Studenten hallt es zu allem Überfluss auch noch, das macht das Verstehen nicht gerade einfacher.
Selbst in meinem Kurs Teorias del cambio social mit circa 30 StudentInnen kann ich einfach nicht in der Menge untergehen. Wie sagte der Professor heute morgen: "Oh je, ich kann mir eure vielen Namen einfach nicht merken... Ah, doch, natürlich, einen Namen weiß ich ganz bestimmt: Maria-Christin, was sagt der Text über..." Hmpf. Immer ich.
Das Beste ist auch, dass er ständig von deutschen Soziologen redet. Aufgrund der (wirklich miserablen) Aussprache verstehe ich die Namen aber leider kaum jemals gleich. Dann schaut der Prof mich immer auffordernd an und will wissen, wie man den Namen richtig ausspricht und ich muss fieberhaft überlegen, welchen Soziologen er jetzt wohl wieder gemeint hat...
Insgesamt gefällt mir das Lernsystem an der Uni ganz gut. Jeder Kurs findet hier 6stündig statt, entweder an drei Tagen jeweils zwei Stunden oder an zwei Tagen drei Stunden. So komme ich mit meinen drei Kursen schon auf 18 Wochenstunden - weit mehr als in Deutschland. Dort, das ist jedenfalls mein Eindruck, weiß man nach einem beendeten Seminar nur über das eigene Referats- und Hausarbeitsthema so richtig viel. Das ist hier anders. Hier beschäftigen wir uns viel (zeit-)intensiver mit jedem Thema - klar, jeder Kurs nimmt ja auch drei Mal so viel Zeit in Anspruch. Deshalb haben wir hier auch Zeit zum diskutieren. Und die Profs legen Wert darauf, dass viel und angeregt diskutiert wird, immer wieder betonen sie, wie wichtig der Meinungsaustausch gerade für Politologen und Soziologen ist. Eine gepflegte Streit- und Dikussionskultur fehlt mir in Deutschland. Ich finde die Diskussionen in den Kursen sehr aufschlussreich und interessant, mein Problem ist nur: Ich kann mich oft nicht beteiligen. Ich hab´ zwar ne Menge Ideen, aber leider alle auf deutsch. Spanisches Fachvokabular für Soziologie oder Politikwissenschaft lernt man leider nicht in Sprachkursen. Das fehlt mir hier. Und Wörter wie "Erderwärmung" kennt nicht mal mein Wörterbuch...
Ganz schlimm ist es, wenn ich müde bin. Es gab hier schon Tage, an denen ich dachte: Oh, Hilfe, ich versteh gar nichts, ich kann keinen Piep Spanisch. An anderen Tagen dagegen hab ich nahezu keine Probleme mit der Sprache. Nur leider hab ich das Gefühl, meine Sprachkenntnisse sind Tagesformabhängig. Das ist ziemlich ungünstig und frustrierend. Aber so insgesamt klappt`s ganz gut mit spanisch, ich verstehe nur nach wie vor mehr als ich sagen kann - ich hoffe, das wird noch besser, sonst geh ich hier am Ende doch noch unter...

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